Erst gab es „Freundschaft Plus“, dann hieß es bei Facebook, es sei „kompliziert“ und jetzt ist immer öfters von „Situationship“ die Rede, die zwar keine Freundschaft Plus ist, oft aber sehr kompliziert. Wie sich diese Beziehungsform von anderen unterschiedet, woran man sie erkennt, wie sie gelingt und warum Situationships immer häufiger werden, erläutern wir in diesem Beitrag – mit der Hilfe zweier anerkannten Experten.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Situationship?
Der englisch klingende Begriff „Situationship“ setzt sich aus den Wörtern „Situation“, zu Deutsch „Moment“, und „Relationship“, zu Deutsch „Beziehung“, zusammen. Gemeint ist eine Beziehung, die für den Moment gut ist und keine Verpflichtungen einschließt, von außen aber wie eine Beziehung aussieht: Man trifft sich über einen oft längeren Zeitraum, verbringt gerne und viel Zeit und ist auch intim miteinander, vielleicht sogar verliebt; möchte aber (noch) kein Label bzw. vermeidet das Gespräch darüber, was „das“ eigentlich ist bzw. werden soll. Die Gefühle, das Vertrauen und die Intimität sind mit anderen Worten nur in der Gegenwart relevant, während Verpflichtungen und Verantwortung ausgeklammert bleiben.
Dabei kann eine Situationship sowohl die Vorstufe einer festen Beziehung sein als auch eine bewusste Wahl beider Seiten, unverbindlich zu daten – was aber oft leichter gesagt als getan ist. Durch die wiederholte körperliche Nähe und die gemeinsam verbrachte Zeit wird nämlich das Hormon Oxytocin im Körper freigesetzt, das vordergründig für Bindung und Vertrauen ursächlich ist – und dafür sorgt, dass Gefühle entstehen: #esistkompliziert.
Während eine Freundschaft Plus so viel wie eine Affäre ist, geht eine Situationship in gewisser Weise über eine Freundschaft Plus hinaus: Die Beteiligten verhalten sich praktisch wie in einer Beziehung, nur das Label – und damit auch das Commitment – fehlt.
Anzeichen, dass du in einer Situationship bist
Bist du dir unsicher, ob du in einer Situationship bist? Hier sind sechs klassische Anzeichen, dass deine Beziehung dazu tendiert.
1. Ihr redet nicht über Gefühle
Das Gespräch darüber, was „das“ mit euch eigentlich ist bzw. was ihr für einander empfindet, wird nicht gesucht. Probleme haben ebenfalls keinen Platz, sondern, die gemeinsame Zeit wird nur den Highlights gewidmet.
2. Ihr plant nur kurzfristig oder spontan
Während in einer Beziehung oft gemeinsame Erlebnisse wie Urlaube, Konzerte und Familienbesuche Wochen und Monate im Voraus geplant werden, plant ihr von Tag zu Tag. Die Zukunft ist allgemein kein Thema; nächsten Monat ist vielleicht schon wieder alles anders.
3. Immer wieder die gleichen Ausreden
„Ich habe gerade viel zu tun“, „Ich muss zum Sport“ oder „Ich bin verabredet“ – klingt das bekannt? In einer Situationship gibt es oft nur Ausreden und keine Lösungen, keinen Plan B, weil es schlechthin keinen Drang gibt, Probleme zu lösen. Ist ja alles nur locker.
4. Der Beziehungsstatus bleibt ungewiss
Keiner möchte der Beziehung ein Label hinzufügen, sondern die Unverbindlichkeit steht an erster Stelle. Wenn der Beziehungsstatus offen bzw. ungewiss bleibt, dann ist die Beziehung vermutlich nicht mehr und nicht weniger als eine Situationship.
5. Das Tinder-Profil bleibt aktiv
Dieser Punkt geht mit dem ungewissen Beziehungsstatus einher: Weil die Beziehung weiterhin unverbindlich bleibt, bleibt meistens auch diverse Dating-Apps aktiv. Das Gespräch, ob ihr exklusiv bzw. ein Paar seid, habt ihr ja nicht gehabt.
6. Ihr verbringt vorwiegend Zeit zu zweit
Wenn man (zumindest momentan) nicht die Absicht hat, sich fix zu binden, gibt es auch keinen Grund, die Freunde und die Familie des Partners kennenzulernen.
Ein Dating-Trend im Aufschwung
Situationships sind vor allem unter jungen Leuten beliebt. Zum Beispiel konnte die Dating-App Tinder zwischen Januar und Oktober 2022 einen Anstieg von 49 % bei den Mitgliedern verzeichnen, die diesen Begriff zu ihren Profilen hinzufügten – und die Sitationship damit als gültigen Beziehungsstatus anerkannten. In Ergänzung dazu gaben 10 % der befragten jungen Singles an, Situationships zu bevorzugen, um eine Beziehung mit weniger Druck aufzubauen.
Das gleiche Bild zeichnet sich im Ausland: Laut einer Umfrage der YouGov Researchgruppe aus 2024 gaben zwei von fünf (39 %) Amerikaner an, schon einmal in einer Situationship gewesen zu sein. Bei den 18- bid 34-Jährigen lag der Wert mit 50 % deutlich höher, was auf eine hohe Akzeptanz dieser Beziehungsform unter jungen Leuten hindeutet.
Wie kann eine Situationship gelingen?
Situationships können für manche Menschen bzw. in gewissen Lebensphasen eine wunderbare Lösung sein. Menschen, die etwa andere Bereiche ihres Lebens priorisieren, wie z.B. ihr Studium, ihre Karriere oder ihre mentale Gesundheit, werden in einer Situationship ziemlich sicher sehr glücklich. Auch für junge Menschen kann die unverbindliche Beziehungsform eine gute Möglichkeit sein, sich auszuprobieren und neue Erfahrungen zu sammeln – und eine Beziehung ohne Druck aufzubauen, wie die befragten Tinder-Nutzer:innen auch selbst behaupten.
Wenn die Situationship aber gelingen soll, muss sie gewollt sein – beiderseits. Wenn eine:r dagegen Gefühle entwickelt und sich mehr erhofft, jedoch wiederholt auf Ausreden stößt, kann die Beziehung auf Dauer psychisch belasten. Die Beziehung kann nur bestehen, solange die Vorstellungen des Nicht-Zusammenseins übereinstimmen. Das betont auch Carolyn Litzbarski, Beziehungscoach und Autorin, und Piroska Gavallér-Rothe, Expertin für Kommunikation und Beziehungsgestaltung, die wir für diesen Artikel interviewt haben:
„Eine Situationship kann gelingen – wenn beide Seiten klar wissen, was sie tun“, sagt Carolyn Litzbarski und erläutert:
„Das heißt: Erwartungen, Grenzen und Bedürfnisse sind offen besprochen – auch wenn das vermeintlich ‚Unverbindliche‘ genau das Gegenteil suggeriert. Nur wenn beide wissen, woran sie sind, kann aus der unverfänglichen Verbindung ein ehrlicher, tragfähiger Kontakt entstehen – auch ohne Beziehungslabel.“
Auch Piroska Gavallér-Rothe, die sich intensiv mit dem Thema befasst und derzeit ein Buch dazu schreibt, weist darauf hin: „Ohne Kommunikation läuft auch in einer Situationship nichts.“ Ihr zufolge gilt es, auch im Verlauf im Gespräch zu bleiben und die Situationship immer wieder anzupassen:
„Wichtig zu wissen ist: Vereinbarungen, die man zu Beginn getroffen hat, sind nicht in Stein gemeißelt. Wie in anderen Beziehungen auch, ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben: Passt das, was wir leben, noch für mich? Vorstellungen und Bedürfnisse können sich mit der Zeit verändern – besonders dann, wenn das Bindungshormon Oxytocin ins Spiel kommt. Spürt man, dass sich etwas verschiebt, ist es wichtig zu klären, welche Anpassungen die Situationship jetzt braucht“, sagt sie.
Wenn die Situationship gelingen solle, geht es also vor allem darum, Erwartungen vorher abzustimmen, Unklarheiten anzusprechen und die eigenen Wünsche ehrlich zu reflektieren und offen zu kommunizieren – auch im Verlauf und wenn Gefühle entstehen.
Für wen ist eine Situationship geeignet – und für wen nicht?
Geeignet ist eine Situationship Piroska Gavallér-Rothe zufolge für Menschen, die sich gerade keine feste Beziehung wünschen, zum Beispiel wegen beruflicher Prioritäten oder nach einer Trennung. „Auch wenn Kinder da sind, kann eine Situationship passend sein“, sagt sie und ergänzt: „einfach weil dann klar ist, wo die Prioritäten liegen – und zwar bei den Kindern – oder weil man ihnen den ganzen Stress mit ggf. immer wieder wechselnden Partner:innen nicht zumuten möchte.“
Nicht geeignet ist das Beziehungsmodell dagegen für Menschen, „die eine Lücke füllen wollen oder auf der Suche nach Verbindlichkeit und einem klaren Beziehungsrahmen sind – denn genau das kann und soll eine Situationship oft nicht leisten“, stellt Carolyn Litzbarski fest.
Gavallér-Rothe sieht das ebenso. Wer sich insgeheim eine feste Beziehung erhoffe, aber glaube, mit einer lockeren Verbindung vorlieb nehmen zu müssen, sollte die Finger lieber davonlassen. „Auch wer stark unter Bindungsangst oder Verlustangst leidet, kann in einer Situationship emotional leicht in Teufels Küche geraten“, betont die Kommunikations- und Beziehungsexpertin.
Vorteile und Nachteile einer Situationship
Vorteile und Nachteile gibt es immer – auch wenn es zu Situationships kommt. Die Frage ist eher, welche Seite letztendlich schwerer wiegt; die Vorteile oder die Nachteile.
Dazu gefragt, welche Vorteile eine Situationship bietet, betonen sowohl Carolyn Litzbarski als auch Piroska Gavallér-Rothe die Freiheit und die Flexibilität der modernen Beziehungsform:
„Wer eine hohe Flexibilität und Freiheit braucht, den eigenen Lebensstil beizubehalten, der ist in einer Situationship besser aufgehoben als in einer festen Beziehung. Emotionale und körperliche Nähe wiederum können in einer Situationship besser gelebt werden, als wenn man auf gelegentliche Affären setzt“, sagt Gavallér-Rothe.
Litzbarski ist enig: „Flexibilität, Freiheit, emotionale Nähe ohne feste Verpflichtungen – für viele klingt das erstmal verlockend. Gerade in Lebensphasen, in denen andere Prioritäten im Vordergrund stehen, kann eine Situationship eine gute Lösung sein, um nicht völlig auf Nähe und Intimität zu verzichten.“
Umgekehrt ist das größte Risiko Litzbarski zufolge die emotionale Schieflage – wenn eine Person mehr will als die andere. Unterstützung bekommt sie von Gavallér-Rothe:
„Problematisch wird eine Situationship dann, wenn sich die Gefühle nur einseitig entwickeln und plötzlich die eine Seite sich nach mehr Verbindlichkeit sehnt“, sagt sie und fährt fort:
„Nachteilig empfinden viele auch die häufig fehlende Einbindung in den Alltag und in den Freundeskreis des Partners, die fehlende Absicherung bei Krankheit oder wenn man etwa mal dringend Hilfe braucht. Und dann kommen noch die emotionalen Risiken dazu: etwa die Gefahr, sich selbst etwas vorzumachen oder eigene Bedürfnisse zu verdrängen.„
Werden die Rahmenbedingungen der Situationship von Anfang an nicht klar definiert, kann auch fehlende Klarheit die Beziehung bzw. die Psyche negativ beeinflussen. „Insbesondere wenn sich die Unklarheit über längere Zeit hinziehen, ohne dass sich die Dynamik klärt, können Situationships Unsicherheit verstärken“, schließt Carolyn Litzbarski.
Zur Übersichtlichkeit und um dich auf die Sprünge zu helfen, ob eine Situationship eine mögliche Beziehungsform für dich wäre, haben wir nachfolgend häufige Vorteile und Nachteile aufgestellt. Wie unsere Expertinnen auch betonen, ist es aber in erster Linie eine Frage deiner Persönlichkeit bzw. deiner aktuellen Lebensphase, ob die Situationship passt oder eher nicht.
Vorteile
→ In einer Situationship gibt es typischerweise keine (familiären, häuslichen etc.) Verpflichtungen, sondern, es ist völlig legitim, die eigenen Bedürfnisse in den Fokus zu stellen.
→ Die Erwartungshaltung ist allgemein geringer, was Druck abbauen kann, damit es einfacher wird, sich persönlich zu entfalten.
→ Eine Situationship ist ein Stück weit auch eine Möglichkeit, persönlich zu wachsen und sich in einer intimen Beziehung zu erleben, ohne sich langfristig zu binden.
→ Es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man sich spontan treffen kann.
Nachteile
→ Eine Situationship bietet keine Stabilität und keine Sicherheit. An oberster Stelle steht die Unverbindlichkeit.
→ Gefühle verändern sich – und wenn sich eine:r verliebt, kann die Beziehung kompliziert und psychisch belastend werden.
→ Aufgrund fehlender Kommunikation ist der Beziehungsrahmen oft unklar, was zur Unsicherheit führen kann.
→ Für manche Menschen kann eine Situationship zur Zeitverschwendung tendieren – weil man Zeit und Gefühle in eine Beziehung ohne Zukunftsperspektive investiert.
→ Die emotionale Bindung, die doch oft durch Nähe und Intimität entsteht, verhindert häufig, dass man für potentiell erfüllendere Beziehungen offen bleibt.
Warum sind Situationships häufig geworden?
Während eine Situationship vor weniger als 100 Jahren nahezu undenkbar war, gewinnt die unverbindliche Beziehungsform heute an Beliebtheit. Carolyn Litzbarski zufolge, weil sie perfekt in unsere moderne Beziehungskultur passen: „Viele Optionen, wenig Verbindlichkeit, viel Angst, sich festzulegen“, zählt sie auf und ergänzt:
„Schließlich könnte ja noch etwas Besseres kommen. Dating-Apps fördern übrigens genau dieses Verhalten. Und auch der gesellschaftliche Wandel spielt eine Rolle: Feste Beziehungsmodelle stehen zunehmend unter Druck, Lebensentwürfe werden individueller. Da wirkt eine Situationship oft wie ein Kompromiss – oder wie ein Schlupfloch, um Nähe zu erleben, ohne sich ‚ganz‘ festlegen zu müssen.“
Ein ähnliches Muster erkennt Kommunikationsexpertin Piroska Gavallér-Rothe: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der es Menschen zunehmend schwer fällt, sich festzulegen. Das Leben in Optionen erscheint zu verlockend“, sagt sie zu DatingXperten und weist wie Litzbarski darauf hin, dass Dating-Apps unverbindliche Kontakte erleichtern. Situationships seien so ein Zeichen unserer Zeit.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt, warum Situationships häufig sind, ist Gavallér-Rothe zufolge die Tendenz zur Selbstoptimierung, die unsere moderne Welt kennzeichnet. „Viele Menschen haben die Vorstellung, immer perfekter sein zu müssen. Das gilt nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Beziehung“, erklärt sie und fährt fort:
„Doch echte Beziehungen zwischen echten Menschen entsprechen selten einem Idealbild mit der Folge: Beziehungen werden schneller beendet, sobald es anstrengend wird oder nicht mehr perfekt scheint. In unverbindlichen Beziehungsformen wie Situationships fällt dieser Schritt oft leichter – gerade weil die emotionale Bindung weniger tief ist.“
Fazit
Während eine Situationship für manche Menschen eine wunderbare Lösung bzw. Möglichkeit ist, sich auszuprobieren, empfinden andere das fehlende Commitment und die oft damit verbundene Unsicherheit vor allem auf Dauer als belastend. Ob man der einen oder anderen Gruppe angehört, kommt in der Regel auf die aktuelle Lebensphase bzw. die Persönlichkeit an; ob man etwa andere Prioritäten im Leben oder ein großes Bedürfnis nach Freiheit und Flexibilität hat.
Fest steht, dass eine Situationship nur dann gelingen kann, wenn beide Parteien wissen, woran sie sind und auch im Verlauf offen und ehrlich miteinander kommunizieren – das heißt, wenn die Rahmenbedingungen der Beziehung von Anfang klar definiert sind und immer wieder neu verhandelt und ggf. angepasst werden, damit keine Unklarheit und keine Unsicherheit entstehen, die die Beziehung kaputtmachen können.
Weitere Quellen
- Breitenberger, Markus (2025), Was ist eine Situationship?, in: paartherapie-breitenberger.de, https://paartherapie-breitenberger.de/ratgeber/situationship/#bedeutung-situationship-%E2%80%93-was-hei%C3%9Ft-das?, 25.06.2025.
- Busanny, Jeanna (2024), Situationship: Zwischen Dating und Beziehung, in: zdfheute.de, https://www.zdfheute.de/ratgeber/situationship-lockere-beziehung-100.html, 25.06.2025.
- Lindner, Stephanie et al.(2025), Situationship? Das sind laut Beziehungscoachin die 6 Anzeichen, in: activebeauty.at, https://www.activebeauty.at/leben/situationship-an-diesen-anzeichen-erkennen-sie-sie/, 25.06.2025.
- Thiele, Sarah (2024), Dating-Trend Situationship: Alles, was du über das virale Beziehungs-Phänomen wissen musst, in: glamour.de, https://www.glamour.de/liebe/artikel/situationship-besser-als-einsam, 25.06.2025.