KI im Online-Dating: Fluch oder Segen?
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Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren und interagieren, grundlegend verändert: Ein großer Teil des sozialen Lebens findet heutzutage online statt; auf Sozialen Medien, Dating-Seiten und Instant-Messaging-Diensten wie WhatsApp. Was diese Medien alle gemeinsam haben, ist, dass sie räumliche und zeitliche Grenzen aufheben und uns ermöglichen, mit Menschen in Kontakt zu treten, die zum Teil kilometerweit entfernt sind. Damit aber nicht genug: Im Internet können wir gezielt auswählen, welche Seiten unseres Lebens wir zur Schau stellen wollen. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) machen es zudem möglich, unsere Online-Identität mithilfe verschiedener Werkzeuge zu perfektionieren.
Doch was heißt das eigentlich für die zwischenmenschlichen Beziehungen, die im Netz beginnen? Ist Künstliche Intelligenz Fluch oder Segen im Online-Dating? Welche Herausforderungen bringt diese Technologie mit und wie gehen die Dating-Seiten damit um? Diese und weitere Fragen versuchen wir in diesem Artikel zu beantworten. Dazu haben wir sowohl Repräsentanten der Dating-Seiten als auch KI-Experten und Diplom-Psychologen befragt, ebenso wie wir uns durch zahlreiche Statistiken und Studien gearbeitet haben, um das Thema von allen Seiten zu beleuchten.
Bevor wir uns den Hauptfragen des Artikels zuwenden, scheint es jedoch relevant, den Begriff “Künstliche Intelligenz” etwas aufzuklären: Was ist eigentlich damit gemeint?
Was ist Künstliche Intelligenz?
Das Europäische Parlament definiert Künstliche Intelligenz (KI), international bekannt als Artificial Intelligence (AI), als “die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.” Mit KI wird es technischen Systemen sozusagen möglich, ihre Umwelt wahrzunehmen, mit dem Wahrgenommenen umzugehen und Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Künstliche neuronale Netze, die für Künstliche Intelligenz eingesetzt werden, orientieren sich an dem Aufbau des menschlichen Gehirns und seiner Synapsen. Ähnliche wie man einem Kleinkind Hunde und Katze zeigt, bis er die Tiere selbstständig erkennen und unterscheiden kann, füttert man bei der gängigsten Form von Machine Learning auch der KI mit einer Vielzahl sogenannter gelabelter Beispielbilder:
“Während der Lernphase versucht das KI-System, aus diesen Daten Muster und Gesetztmäßigkeiten abzuleiten. In einem nächsten Schritt wird dann sein “Lernstand” überprüft: Hält es einen Hund fälschlicherweise für eine Katze, werden in der folgenden Lernphase die Gewichte zwischen den Neuronen im neuronalen Netz angepasst, um den Fehler zu minimieren,” so KI-Expertin Tora Markert zu TÜV Nord.
Weitere Typen von Machine Learning sind teilüberwachtes Lernen, bei denen die Daten nur teilweise beschriftet bzw. gelabelt sind, und unüberwachtes Lernen, bei denen es keine beschrifteten Daten gibt. Dieser Typ Lernen wird eher genutzt, um Daten zu gruppieren oder einzuteilen.
In diesem Zusammenhang wichtig zu verstehen ist, dass KI-Systeme mittels Daten und aus Erfahrung lernen, urteilen und selbstständig Probleme lösen können. Die Anwendungszwecke sind unzählige; KI erkennt unser Gesicht auf dem Smartphone, navigiert uns am Stau vorbei, gibt uns Tipps für die nächste Netflix-Serie und versteht unsere Stimmen bei Siri, Alexa und Google. Oft sind wir uns nicht bewusst, wie häufig wir KI im Alltag bereits verwenden.
Mit der Erscheinung neuer KI-Tools wie ChatGPT, die menschenähnliche Gespräche simulieren und Fragen beantworten können, sowie Stimmen-, Bild- und Videogeneratoren wird es aber offensichtlich, wie fortgeschritten diese Technologie ist. Was bedeutet diese Entwicklung und die fortschreitende Verbesserung generativer KI-Tools für das Kennenlernen im Internet?
Herausforderungen der KI im Online-Dating
Wie fast alle anderen Bereiche unserer Gesellschaft wird auch die Partnersuche im Internet zunehmend von Künstlicher Intelligenz geprägt. Wir sehen dabei vor allem zwei-drei Herausforderungen: Während Künstliche Intelligenz zwar einerseits sehr positiv zur Bekämpfung von Spam und gefälschten Konten beitragen und Nutzern Unterstützung bei der Partnersuche leisten kann, etwa in Form von Tipps für die Profiloptimierung und das Flirten mit Chatpartnern, öffnet die gleiche Technologie paradoxerweise auch Betrügern Tür und Tor – und lässt Fragen zum authentischen Kennenlernen aufkommen. Geht das überhaupt, wenn einer sich Technologien der KI bedient? Im Folgenden suchen wir eine Antwort auf beides.
Mit KI haben auch Betrüger neue Werkzeuge bekommen
Mit der fortschreitenden Verbesserung generativer KI-Tools, das heißt Modelle der Künstlichen Intelligenz, die darauf ausgelegt sind, neue Inhalte in Form von geschriebenem Text, Audio, Bildern oder Videos zu erzeugen, werden auch die Anomalien früherer KI-Inhalte immer geringer. In der Praxis bedeutet dies, dass es zunehmend schwieriger wird, KI-generierte Bilder und Nachrichten von echten zu erkennen. Und da KI-Bilder alle Unikate sind, ist die umgekehrte Google-Bildersuche auch keine Möglichkeit mehr.
Es erfordert also ein trainiertes Auge, KI-Inhalte zu erkennen – und das wissen auch Betrüger, die diese Werkzeuge ebenso wie “normale” Menschen nutzen, zum Beispiel zur Erzeugung falscher Identitäten auf Dating-Seiten.
Love Scamming
“Love Scamming” oder Liebesbetrug beschreibt eine neue Form des Heiratsschwindels, die vermehrt im Internet stattfindet. Der Betrüger verwendet dabei eine gefälschte Online-Identität, um sein Opfer anzulocken, und sobald er oder sie Interesse zeigt, erschleicht er sich Vertrauen und bittet um Geld bzw. finanzielle Unterstützung – oder er verfügt über genügend persönliche Informationen, um das Geld oder die Identität des Opfers zu stehlen.
Wir haben Diplom-Psychologin und Paartherapeutin Sarah Willeke, die in Siegen ansässig ist und Menschen rund um das Thema Beziehungen begleitet, gefragt, warum diese Masche scheinbar so gut funktioniert. “Love Scamming funktioniert, weil die Betrüger ihren Opfern zunächst das geben, wonach sie sich sehnen: Wertschätzung, emotionale Bindung und eine Idee von einer gemeinsamen Zukunft, die für viele Hoffnung auf einer langen Suche nach Liebe bedeutet,” sagt sie und fährt fort:
“Dating-Seiten machen es Liebesbetrügern leichter, da hier eine perfekte Illusion erschaffen werden kann. Durch Manipulation der Betrüger und Projektion der Opfer, die beide im Online-Dating durch die vielen Unbekannten entstehen, ist die Gefahr auf einen Romance Scammer hereinzufallen auf Dating-Seiten höher.”
Bereits 2016 wurden der US-amerikanischen Federal Trade Commission 11.235 Fälle von Liebesbetrug gemeldet. Bis 2020 war die Zahl auf 52.593 angestiegen. Die finanziellen Verluste durch diese neue Form des Heiratsschwindels erreichten 2020 in den USA mit 300 Millionen US-Dollar einen neuen Höhepunkt. In Großbritannien lag der entsprechende Wert bei 68 Millionen britischen Pfund. Wie auch Geschichten aus Deutschland zeigen, werden Betrugsmaschen rund um das Online-Dating immer überzeugender.
Was unternehmen die Dating-Seiten, um diese Entwicklung entgegenzukommen?
Es stellt sich also die Frage, was die Dating-Seiten konkret unternehmen, um diese Entwicklung entgegenzukommen und Betrüger fernzuhalten. Diese Frage haben wir verschiedenen Dating-Sites vorgehalten, hierunter auch der bevorzugten Partnerbörse der Deutschen, Parship.
“Im Rahmen unseres Sicherheitschecks prüfen wir mit der automatisierten Profil-Überprüfung, ob es sich bei einem neu angelegten Profil um missbräuchliche Nutzung handeln könnte,” sagt ein Sprecher der Partnerbörse und fährt fort:
“Dazu werden einige Daten, die wir bei der Registrierung eines Neumitglieds erhalten, automatisch mit anderen Daten aus einer Datenbank abgeglichen, in der wir ohne Personenbezug Erfahrungswerte zu sogenannten Fake-Profilen abgespeichert haben. Ergibt sich eine Auffälligkeit, nehmen wir auf Basis der zugrundeliegenden Anhaltspunkte eine vertiefte Überprüfung vor. Dabei werden etwa Freitextangaben oder Profilbilder untersucht.”
Bei der Dating-App Bumble hat man einen sogenannten “Deception Detector” integriert, anhand dessen die Meldungen von Spam, Betrug und gefälschten Konten um 45% zurückgegangen sind – und bei Tinder stehen verschiedene Verifizierungstools zur Verfügung, die Nutzern helfen sollen, authentische Beziehungen aufzubauen. Bei erfolgreicher Verifizierung wird das Profil mit einem blauen Haken gekennzeichnet. Diesen Haken kennen wir auch aus vielen weiteren Plattformen.
Ebenso wie die Betrüger ihre Techniken immer weiter verfeinern, werden also auch die Dating-Seiten immer besser, manipulierte Profilinhalte zu erkennen. Trotzdem können Betrüger und falsche Profile vermutlich nie zu 100% ausgeschlossen werden – und daher gilt es, auch selbst auf der Hut zu sein bzw. auf sein Bauchgefühl zu hören und den Betrug rechtzeitig zu erkennen.
Wie erkennt man einen Betrüger?
Unabhängig von der Plattform – ob Catfishing auf Facebook oder Liebesbetrug auf Tinder – die Warnzeichen sind immer dieselben. Scheint bei deinem Gegenüber etwas off, dann achte auf folgende 8 Umstände, die wir anhand der Cybersicherheitsanbieter Avast und Kaspersky erstellt haben:
1. Sein Profilbild ist unnatürlich attraktiv
Wir kommen nicht drum herum: Das Aussehen spielt (auch) beim Online-Dating eine zentrale Rolle. Ein attraktives Profilbild generiert Aufmerksamkeit – und das wissen auch die Betrüger. Daher stellen sie in der Regel Fotos von sehr attraktiven Menschen ein. Oft handelt es sich dabei um Fotos von Schauspielern oder Models, ein lizenzfreies Archivbild oder eben ein mit KI generiertes Bild. Wenn das Profilbild deines Gegenübers also irgendwie zu attraktiv ist, die Oberfläche zu “glatt”, dann solltest du auf der Hut sein.
2. Er hat keinen digitalen Fußabdruck
Betrüger müssen eine glaubwürdige Identität über verschiedene Plattformen hinweg aufbauen. Daher halten sie die Inhalte ihrer Online-Profile in der Regel niedrig oder begrenzen sich vielleicht auf ein oder zwei Profile mit wenigen Inhalten. Zwar nutzt nicht jeder soziale Medien und viele versuchen, möglichst wenige persönliche Informationen ins Netz zu stellen; trotzdem scheint es verdächtig, wenn jemand kaum Spuren im Internet hinterlässt.
3. Er zeigt übermäßiges Interesse
Zwar geht es beim Online-Dating um das Kennenlernen potentieller Partner, wenn dein Gegenüber aber übermäßiges Interesse an dir zeigt und sofort alles über dich in Erfahrung bringen will – Hobbys, familiäre Verhältnisse, frühere Beziehungen (etc.) – dann könnte dies ein Anzeichen sein, dass er unehrliche Absichten hat und eher daran interessiert ist, dich zu manipulieren.
4. Das Gespräch wird schnell ins Romantische gedreht
Ein weiteres, klassisches Anzeichen eines Liebesbetrug ist Love Bombing: Der Betrüger überhäuft dich mit Komplimenten, Aufmerksamkeit und Liebesbekundungen; behauptet vielleicht bereits nach kurzer Zeit, dass eine besondere Verbindung bestehe und dass ihm so etwas noch nie passiert sei, um dich für sich zu gewinnen und eine emotionale Bindung aufzubauen. Je früher er eine emotionale Bindung etablieren kann, desto früher kann er nämlich auch zur nächsten Phase des Betrugs weiterziehen.
5. Er versucht, das Gespräch auf eine andere Plattform zu verlagern
Sehr oft versuchen Betrüger, ihre Opfer auf eine andere App zu locken, um die Sicherheitsschranken der Dating-Siten zu vermeiden. Diese Sicherheitsschranken hindern nämlich User daran, nach persönlichen Daten wie E-Mail und Telefonnummer zu fragen. Vielleicht behauptet er, er sei nicht so oft online oder könne sich nicht leisten, sein Premium-Abo zu verlängern; wenn du aber noch Zweifel hast, ob du diesem Menschen vertrauen kannst, dann bleibe beim Chatten in der App.
6. Video-Anrufe und physische Treffen werden immer weiter hinausgezögert
Wenn du den Verdacht hast, dein Gegenüber sei ein Betrüger, dann bitte ihn, die Video-Chat-Funktion einzuschalten. Wenn er sich weigert und immer wieder Ausreden findet, warum es gerade nicht gehe, dann ist er wahrscheinlich nicht die Person, für die er sich ausgibt. Dasselbe gilt natürlich für physische Treffen: Wenn er (oder sie) immer wieder absagt bzw. das Treffen immer weiter in die Zukunft verschiebt, dann gilt es, auf der Hut zu sein.
7. Seine Lebensgeschichte klingt wie eine Seifenopfer
Betrüger schildern ihr Leben oft sehr dramatisch mit vielen Schicksalsschlägen, um Sympathie zu gewinnen. Schwere Krankheiten, Familientragödien oder finanzielle Probleme sind nicht ungewöhnlich. Wenn die Lebensgeschichte deines Dates unglaubwürdig klingt, dann ist es sie vermutlich auch.
8. Er bittet um finanzielle Unterstützung
Der eindeutigste Hinweis darauf, dass du mit einem Betrüger zu tun hast, ist die Bitte um Geld. Er oder sie bittet vielleicht um einen kurzfristigen Kredit, um einen entgangenen Monatslohn auszugleichen und die Rechnungen beglichen zu können, oder meint, Hilfe bei der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen zu benötigen, um weiterhin mit dir chatten zu können. Es ist auch nicht undenkbar, dass er dir zunächst Geld überweist, um seine finanzielle Stabilität zu untermauern, bzw. eine kleinere Summe zurückerstattet, um dein Vertrauen zu gewinnen. Welche Gründe er auch immer nennt, deine Antwort lautet natürlich „Nein“. Ein Mensch, der ernsthaft Interesse daran hat, dich kennenzulernen, würde dich niemals um Geld bitten. Punkt.
Profiloptimierung durch KI – genial oder katastrophal?
Parallel dazu, dass die KI-Technologie immer besser wird, steigt nicht nur die Anzahl der Liebesbetrüge; es tauchen auch immer mehr Websites auf, die mithilfe Künstlicher Intelligenz ganze Dating-Profile schreiben oder existierende optimieren. Clever, um Tipps und Ideen für die Profilbeschreibung zu bekommen und Schreibblockaden zu überwinden, möglicherweise aber auch eine Rutschbahn, denn wo geht da die ethische Grenze?
Diese Services bieten sogar Funktionen zur Fotooptimierung an. Dabei werden anhand deines Selfies ein neues Foto generiert, das deine besten Gesichtszüge hervorhebt, dein Frisur korrigiert und den Hintergrund durch einen bunteren bzw. interessanteren ersetzt. Ist nicht die Enttäuschung vorprogrammiert, wenn beim physischen Date die witzigen Oneliners und spannenden Geschichten hinter den Fotos ausbleiben?
Das meint Psychotherapeut Felix Hof, der jedoch nicht verwundert ist, dass Dating-Apps mit KI-Bildern geflutet werden. “In KI-Bilder stecken [die User] Hoffnung, mehr Menschen anzusprechen,” sagt er zum schweizerischen Online-Magazin 20 Minuten. Dass KI-generierte Fotos eine Rutschbahn darstellen, meint auch Beziehungsexpertin Martina Rissi. “Mit solchen Aufnahmen täuscht man das Gegenüber,” sagt sie zu 20 Minuten und setzt fort: “Es ist unwahrscheinlich, dass eine Beziehung, die mit einer Täuschung startet, erfolgreich ist.”
Fragt man die User selbst, stehen sie KI-Inhalten auch eher skeptisch gegenüber. Laut einer Umfrage unter Nutzern der Dating-App Bumble wünschen sich 71% der Befragten Einschränkungen für die Verwendung von KI-Inhalten auf Dating-Apps. Weitere 71% finden es inakzeptabel, KI-generierte Fotos von Menschen an Orten zu sehen, an denen sie noch nie waren, oder bei Aktivitäten, die sie noch nie gemacht haben. Das gleiche Bild zeichnet sich bei Parship: 7 von 10 Parship Mitglieder geben an, dass ihre Motivation, eine Person weiter zu daten, sinken würde, wenn sich beim Treffen herausstellt, dass sich das Gegenüber online deutlich vorteilhafter dargestellt hat. Das kann Fotos aber auch die Angaben von Interessen oder Erfahrungen betreffen.
Wir haben Diplom-Psychologin und Paartherapeutin Sarah Willeke gefragt, welche Gründe sie dafür sehe, dass manche Menschen sich dazu verleiten lassen, ihre Fotos und Texte zu optimieren, obwohl ein Großteil der Nutzer sich eher Einschränkungen von KI-Inhalten auf Dating-Apps wünschen. “Der erste Eindruck zählt,” betont sie, “die Chancen sollen erhöht werden, um den perfekten Partner zu finden. […] Da so viele Menschen ihre Fotos überarbeiten, verleitet das wiederum andere dazu, dies auch zu tun, um im Vergleich zu bestehen. Auch Texte werden optimiert, um genau das Bild von sich selbst zu zeichnen, dem man selbst die höchsten Chancen in der Partnersuche ausrechnet.”
Es ist jedoch selten kostenfrei, sich online deutlich vorteilhafter darzustellen, als man wirklich ist. “Wenn der erste Eindruck online völlig von der Person beim Live-Date abweicht, dann wird dies häufig als Vertrauensbruch oder Täuschung interpretiert,” sagt Willeke.
Auch Parship stellt sich dazu eher kristisch. Auf die Frage, wie die Partnerbörse zur Profiloptimierung durch KI stehe, ist die Antwort klar: “Gefälschte Angaben, ob mit KI oder ohne, führen früher oder später zu Enttäuschung.” Bei Parship glaubt man daran, dass Authentizität und Ehrlichkeit Schlüsselelemente für ein positives Dating-Erlebnis seien. Daher gelte zum Beispiel eine No-Filter-Policy, die stark bearbeitete oder gar verfälschte Profilfotos nicht zulasse.
Chatbots werden zunehmend zum Flirten und Chatten genutzt
Neben der Verwendung von KI für Betrugs- und Profiloptimierungszwecke, ist noch eine dritte Tendenz im Internet zu erkennen. Inzwischen tauchen nämlich immer mehr Beispiele von Menschen auf, die erfahren mussten, dass sie mit einem Bot gechattet haben. Statt selbst zu antworten, nutzen einige User scheinbar lieber Künstliche Intelligenz zum Flirten und Chatten.
Die Technologie hinter dem sogenannten ChatGPT analysiert große Mengen an Daten und ist so in der Lage, Muster zu erkennen und zu „lernen”, wie weiter oben auch beschrieben. Chatbots können dementsprechend selbstständig Texte zu einem bestimmten Thema verfassen und auf gezielte Fragestellungen antworten. RizzGPT, der in ChatGPT angeboten und als “Dating-Nachrichten-Experte” bezeichnet wird, kann zum Beispiel schon bei der Profilerstellung zurate gezogen werden – und weiß Antworten auf Forderungen wie „Was ist eine flirtende Antwort auf diese Nachricht?“ oder „Schreibe eine erste Nachricht, die das Gespräch am Laufen hält“.
Insbesondere Männer setzen auf Chatbots, um Frauen für sich zu gewinnen, und lassen beispielsweise ihre Profilbeschreibung und ganze Unterhaltungen von KI-Tools wie ChatGPT generieren. Maschinenethiker Professor Oliver Bendel nennt die Tendenz problematisch. “Der Dialog ist eine wichtige Phase in der Anbahnung des Dates, er basiert auf Vertrauen, und dieses Vertrauen wird [durch die Verwendung von Chatbots] offensichtlich missbraucht,” äußert er auf Anfrage von IPPEN.MEDIA.
Ist ein authentisches Kennenlernen trotzdem möglich?
Authentizität und Vertrauen sind wichtige Grundsäulen jeder gesunden Beziehung; wenn aber einer beim Chatten auf KI zurückgreift, dann riskiert beides verloren zu gehen. Zudem stellt sich die Frage, ob ein authentisches Kennenlernen möglich ist, wenn ein Bot für einen – oder beide – spricht?
Laut Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Sarah Willeke kommt es auf das Maß an KI-Nutzung an. “Geht es darum Anregungen für die eigenen Kreativität zu bekommen, dann ist hier eine gute Absicht und Engagement dahinter, die der Person entspricht. Wenn aber die Authentizität auf der Strecke bleibt, ist kein echtes Kennenlernen möglich.” Um sich und möglichen Partnern Enttäuschungen zu ersparen, sollte bei der KI-Nutzung immer die Frage nach der eigenen Authentizität gestellt werden, betont sie.
Dies scheint auch bei den Nutzern Anklang zu finden. Nach einer Umfrage von Parship lehnen drei Viertel der Singles den Einsatz von KI beim Dating ab. Dieselbe Studie zeigt, dass ganze 78% persönlich verfasste Antworten gegenüber automatisch generierten Nachrichten bevorzugen. Sogar die junge Generation Z zeigt im Bereich Dating wenig Interesse an Chatbots und ähnlichen Technologien: 80% der 18- bis 29-Jährigen erwarten, dass Nachrichten auf Dating-Apps persönlich verfasst werden.
Wir haben Parship natürlich auch zu diesem Thema befragt. Paartherapeut und Parship Studienbegleiter Eric Hegmann sagt über die Nutzung von KI-Tools beim Kennenlernen, dass es jeder für sich entscheiden dürfe, ob er oder sie das Risiko eingehen möchte, einen schönen Kontakt nicht fortfahren zu können, weil ein eigenes, persönliches Anschreiben zu aufwändig gewesen wäre. Auch warnt er davor, zu denken, die Prompts für die KI wären so fantasievoll, dass Adressaten nicht doch sehr häufig ähnlich formulierte Nachrichten erhalten würden. Hegmann pointiert aber, ähnlich wie Willeke, dass ChatGPT und ähnliche Dienste für manche Menschen sicherlich eine Hilfe sein können, um ihr ehrliches Interesse zu zeigen – und dass dagegen nichts einzuwenden sei, solange man sich trotzdem authentisch zeige.
Um der Entwicklung etwas vorzugreifen und Menschen bei der Kontaktaufnahme zu unterstützen, denen es schwerer fällt, sich auszudrücken, entsteht bei Parship erst ein Match, indem zwei Mitglieder gegenseitig auf einen Profilbereich des jeweils anderen reagieren. “Mit diesen Features möchten wir bereits vor dem eigentlichen Kontakt die Auseinandersetzung mit dem Profil des Gegenübers fördern,” sagt ein Sprecher der Partnerbörse und setzt fort: “So fällt es leichter, ein Gespräch zu beginnen, weil man in der Regel schon etwas über die andere Person erfahren hat.”
Dies schließt aber nicht die Möglichkeit aus, sich beim Chatten auf KI zu stützen. Es stellt sich also die Frage, wie man erkennen kann, ob Nachrichten mit KI generiert sind.
Wie erkennt man KI-geschriebene Texte?
Leicht ist es nicht, KI-geschriebene Texte zu erkennen; auch nicht im Chat mit einem neuen Match auf Tinder. Eine 100% verlässliche Methode, KI-Texte nachzuweisen, gibt es aktuell leider nicht, sondern, ChatGPT und ähnliche Dienste sind mittlerweile so fortgeschritten, dass sie sehr gute und kaum von menschlichen unterscheidbare Texte verfassen können.
Es gibt allerdings Tools und Merkmale, die Hinweise darauf geben können, ob ein Text von einer KI wie ChatGPT geschrieben sein könnte. Jedoch sind viele der vorhandenen Tools auf englische Texte ausgelegt und fordern außerdem eine Anmeldung mit E-Mail. Zu Anfang empfiehlt es sich daher, im Chat auf folgende Merkmale zu achten, die wir anhand HubSpot zusammengestellt haben:
1. Schnelle Reaktionszeit
Wenn dein Gegenüber stets binnen weniger Minuten antwortet, könnte dies ein Anzeichen sein, dass KI verwendet wird. KI-Modelle wie ChatGPT generieren schnelle und effiziente Nachrichten.
2. Keine Phrasen und außergewöhnliche Wortkombinationen
Der Schreibstil der meisten Chatbots ist eher immer gleich. Entweder ist der Stil förmlich oder locker und die Sätze nur kurz oder nur lang. Die Nachrichten deines Gegenübers auch, egal welche Frage du ihm stellst? Dann halte mal Ausschau nach weiteren Anzeichen.
3. Keine Fehler
Auch in längeren Texten nicht, gibt es keine Fehler, nicht einmal ein doppeltes Leerzeichen. Menschen passieren doch noch häufiger mal Flüchtigkeitsfehler.
4. Standardisierte Antworten
KI-Modelle verwenden häufig vordefinierte Antworten auf bestimmte Fragestellungen, die anhand des Kontextes dann noch teilweise angepasst werden. Wenn dein Gegenüber also häufig standardisiert klingende Antworten gibt, die sich für dich ähnlich anfühlen oder sich auf ähnliche Weise wiederholen, dann könnte dies ein Hinweis sein, dass er sich beim Antworten auf KI stützt.
5. Keine Antwort auf ungewöhnliche Fragen
Wenn du deinem Gegenüber eine ungewöhnliche oder sehr persönliche Frage stellst, die nicht in das Muster der vordefinierten Antworten vom Chatbot passt, dann kommt womöglich gar keine Antwort – oder der Schreibstil verändert sich, weil er nun selbst zum antworten gezwungen ist. Achtet darauf.
6. Kaum Emojis
Modelle wie ChatGPT sind darauf ausgelegt, faktische und effiziente Antworten auf Fragestellungen zu geben. Achte daher auch auf die Verwendung von Emojis: Wenn dein Gegenüber kaum bis keine Emojis verwendet, was in der heutigen Dating-Kultur ja eher ungewöhnlich ist, dann könnte das ebenfalls ein Hinweis auf die Verwendung von einem Chatbot sein. Auch wenn immer andere oder unpassende Emojis verwendet werden, solltest du aufmerksam werden.
Immer noch nicht sicher?
Diese Liste ist nicht erschöpfend und sollte auch nicht als eine Fazitliste betrachtet bzw. verwendet werden. Nicht alle der oben genannten Anzeichen müssen zwangsläufig auf die Nutzung von Chatbots hinweisen. Wenn du dir nicht sicher bist, ob dein Gegenüber KI nutzt und du ernsthaftes Interesse an ihm bzw. ihr hast, dann frage lieber direkt danach.
Gibt es auch gute Neuigkeiten?
Künstliche Intelligenz bringt gewisse Herausforderungen für das Kennenlernen im Internet mit sich, ja. Es gibt aber zum Glück auch viel Positives über KI im Online-Dating zu berichten. Wie einleitend auch erwähnt, stellt KI zum Beispiel eine tolle Unterstützung bei der Bekämpfung von Scammers und Fake-Profilen dar. Das bestätigt auch Parship: “Schon heute spielt KI bei Maßnahmen, die die Sicherheit unserer Mitglieder erhöhen, eine zentrale Rolle – etwa, um Fotos auf unerwünschte Inhalte zu prüfen, betrügerische Absichten zu entdecken und Fake-Profile zu identifizieren.”
Tom Sorell, Professor für Politik und Philosophie an der University of Warwick und Teil einer groß angelegten Initiative verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen, die das Ziel verfolgt, Betrugsmaschen rund um das Online-Dating das Handwerk zu legen, nennt die Technologie der KI ein Game-Changer. “[Durch moderne Computertechnologien, die auf Künstliche Intelligenz setzen] wird sowohl das Aufspüren als auch das Vorbeugen [verdächtiger Aktivitäten] wesentlich schneller, einfacher und effizienter,” sagt Sorell zu pressetext. “Ich denke, auf diese Weise lässt sich in Zukunft viel besser sicherstellen, dass die Leute Dating-Angeboten wieder mehr vertrauen können.”
Die Forschergruppe hat einen neuen Algorithmus entwickelt, der die Scharfe von den Böcken trennen und das Leben der Betrüger auf Dating-Sites erschweren soll. Dazu musste das Team dem Algorithmus jedoch erst einmal beibringen, über welche spezifischen Charakteristika ein Fake-Profil erkannt werden kann. Hierfür werden beispielsweise verdächtige Anzeichen in den demographischen Daten des entsprechenden Profils, eventuelle Fotos und gepostete Beiträge genau analysiert. Aus den eingesammelten Daten errechnet die KI dann eine individuelle Wahrscheinlichkeit, die angibt, ob ein Betrug vorliegt oder nicht. Laut pressetext überzeugte diese Methode bei ersten Tests mit einer Fehlerquote von nur einem Prozent.
KI-Technologien können in der Dating-Welt also durchaus auch sinnvoll eingesetzt werden – und beschränken sich natürlich nicht nur auf die Bekämpfung von Fake-Profilen. Bei Parship sieht man etwa ein Potenzial darin, KI in Kombination mit bewährten Verfahren zu nutzen, um noch höhere Erfolgsquoten zu erzielen: “Wir glauben, dass KI künftig auch zusammen mit bewährten Verfahren – wie etwa dem Parship Persönlichkeitstest – dabei helfen kann, bessere Partnervorschläge zu machen.” Zurzeit sei KI-basiertes Matching erprobten psychologischen Verfahren jedoch nicht automatisch überlegen.
Ebenfalls betont Parship, dass es falsch wäre, den Eindruck zu erwecken, Singles könnten sich ihren Traummenschen mithilfe einer höheren bzw. künstlichen Intelligenz regelrecht zusammenbauen und “bestellen”. “Unsere Features sind darauf ausgelegt, dass Singles die Person hinter dem Profil kennenlernen. Deshalb sind die Anforderungen an KI in unserer Branche auch deutlich höher als in anderen Industrien,” so Parship.
Fazit
Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Daran kann es keinen Zweifel mehr geben. Ebenfalls lässt es sich sagen, dass Künstliche Intelligenz definitiv auch Vorteile in Bezug auf das Online-Dating bringt – vor allem was die Bekämpfung von Betrügern angeht, die falsche Identitäten erstellen und Liebe vortäuschen, um ahnungslosen Nutzern das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Umgekehrt haben ebendieselben Betrüger mit KI neue Werkzeuge bekommen, um den Betrug aufrechtzuerhalten und überzeugend durchzuführen. Daher gilt, vielleicht mehr als je zuvor: Im Netz vorsichtig mit persönlichen Daten umgehen und niemals Geld an Personen überweisen, die nicht zu 100% vertrauenswürdig sind.
Es sind jedoch nicht nur Betrüger, die KI-Tools ausgiebig nutzen, um sich möglichst vorteilhaft bzw. glaubwürdig darzustellen, sondern auch Menschen mit ehrlichen Absichten lassen sich dazu verleiten, ihre Fotos und Texte durch KI-basierte Technologien zu optimieren, um bei potentiellen Partnern besser anzukommen. Dieser Tendenz ist an sich nicht neu; nur sind die Technologien viel, viel besser geworden und es wird zunehmend schwieriger, manipulierte Inhalte zu erkennen.
Um Betrügern den Weg nicht freizumachen, müssen wir daher aufpassen, dass ein gewisser Grad an Authentizität und eigenem Einsatz bei der Partnersuche nach wie vor bestehen bleibt – und das bleibt nicht nur die Verantwortung der Dating-Seiten, sondern auch die der Nutzer. KI-Inhalte können zwar zu einem gewissen Grad erkannt und begrenzt werden, wie das Parship No-Filter-Policy und die dahinterliegende Technologie auch zeigt, kaum zu vermeiden ist es hingegen, so Parship, “wenn sich Mitglieder Unterstützung von ChatGPT bei der Erstellung von Nachrichten holen oder bei ihren Profilangaben wie Interessen und Erfahrungen flunkern. Wie wissen allerdings, dass sich Parship Mitglieder ein ehrliches und authentisches Kennenlernen mit natürlichen Bildern und selbstgeschriebenen Nachrichten wünschen.
Wie stehst Du dazu?